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Défense des enfants international
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Straffreiheit für sexuelle Chatdialoge mit Minderjährigen ?
  
[ Bulletin DEI, September 2005 Band 11 Nr 2/3 S. 14 ]

Stellungnahme zum Urteil SK-Nr. 2005/16/LIB des Obergerichts des Kantons Bern


Eva Bollmann Analytikerin Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität KOBIK


Vorliegender Beitrag versteht sich als rechtspolitische Stellungnahme der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität KOBIK zur jüngsten Rechtsprechung im Bereich der Sex-Chats mit Minderjährigen. Die in der zurzeit jüngsten Rechtsprechung (Urteil SK-Nr. 2005/ 16/LIB des OG BE) vertretene Straffreiheit für sexuelle Chatdialoge mit Kindern und Jugendlichen erscheint unter Berücksichtigung eines effizienten Jugendschutzes und der Realität in Chaträumen als äusserst fragwürdig. Dies da besonders Chaträume für Kinder und Jugendliche nachweislich zwecks Kontaktaufnahme und -pflege («Grooming») von pädophil geneigten Erwachsenen frequentiert werden und besonders bei Minderjährigen die Bereitschaft zu realen Treffen mit Chatbekanntschaften hoch ist.


Sachverhalt


[Rz 1] Der zum Tatzeitpunkt gut 25jährige Angeschuldigte fiel im Chat eines grossen Schweizer-Providers auf, wo er einem Mädchen mit Nickname „jasmine-ag” Geld gegen sexuelle Handlungen bot. Der Angeschuldigte bewegte sich dabei im Channel „Teentalk”, welcher ausschliesslich für Jugendliche bis 20 Jahre reserviert ist.

[Rz 2] Die besonderen Channels für Kinder und Teenager werden von den Providern überwacht und so ergab es sich, dass der Beschuldigte mit einem Administrator chattete. Trotz mehrfacher Rückfrage der „jasmine-ag” ob sie mit ihren 15 Jahren nicht zu jung für ihn sei, bot er ihr CHF 300.– für sexuelle Handlungen. Auf die Frage, was sie dafür machen muss, verlangte er Oral- und Geschlechtsverkehr. Im Gespräch gab der Angeschuldigte daraufhin seine E-Mail-Adresse bekannt, ein konkretes Treffen wurde jedoch nicht vereinbart.

[Rz 3] Bei der nachfolgenden Hausdurchsuchung beim Angeschuldigten wurden drei Festplatten und insgesamt 13 CD’s mit (kinder-)pornografischem und fremdenfeindlichem Material sichergestellt. Der Angeschuldigte hatte vom Internet kinderpornografisches Material sowie ein Film mit sexuellen Handlungen mit Tieren und diverse Erzeugnisse mit Gewaltdarstellungen heruntergeladen. In Kenntnis der Inhalte der Dateien, speicherte er diese zusätzlich auf weitere CD-ROM’s (1).

[Rz 4] Erstinstanzlich wurde er des untauglichen Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie der Pornografie (Art. 197 Ziff. 3 und 3bisStGB) zu 4 Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs, einer Busse von CHF 1’000.– sowie zur Zahlung von CHF 2’800.– Verfahrenskosten verurteilt.

[Rz 5] Zweitinstanzlich wurde der Angeschuldigte vom Obergericht des Kantons Bern vom untauglichen Versuch der sexuellen Handlungen mit Kindern freigesprochen und zu einer Busse von CHF1’000.– wegen Pornografie schuldig gesprochen, dies unter Auferlegung von zwei Dritteln der erstinstanzlichen Verfahrenskosten und der gesamten oberinstanzlichen Verfahrenskosten. Zwei Drittel der erstinstanzlichen Verteidigungskosten und die gesamten oberinstanzlichen Verteidigungskosten von somit gesamthaft CHF 2’500.– wurden ihm als Entschädigung ausgerichtet.


Stellungnahme


[Rz 6] Das ergangene Urteil richtet sich streng dogmatisch nach der „Schwellentheorie” (BGE 119 IV 224 E. 2; 114 IV 112 E. 2c/bb) sowie dem rechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo”. Die Begründung sieht beim sexuellen Chatdialog die Schwelle zum Versuch nicht überschritten und folgt der Argumentation des Angeschuldigten, dass es sich um einen Jux handelte.

[Rz 7] Trotz dogmatischer Korrektheit wird vom Obergericht das Wesen wie auch die Wichtigkeit und Omnipräsenz der Chatkommunikation insbesondere unter Kindern und Jugendlichen verkannt, in dem z.B. im Urteil festgehalten wird, dass man beim Chat eigentlich mit einer „Maschine” spricht und das (auch dumme und unmoralische) Spielerische zur Tagesordnung gehört.

[Rz 8] Ohne Jux-Chatdialoge gänzlich ausschliessen zu wollen, muss klar erkannt werden, dass es sich beim Angeschuldigten konkret um jemanden handelt, welcher (freimütig) zugab, dass es schon mehrmals vorgekommen sei, dass er sich wirklich mit Frauen getroffen habe, die er genau auf diese Weise im Chat kennen lernte und es auch schon zu Treffen gekommen sei, bei denen er für Sex bezahlt habe. Gleichzeitig wurden bei ihm bei der Hausdurchsuchung einschlägige (kinderpornografische) Dateien beschlagnahmt. (2)

[Rz 9] Exakt diese, in der Realität häufig anzutreffenden, zusätzlichen (z.T. strafrechtlich relevanten) Handlungsweisen des Angeschuldigten stimmen bedenklich und lassen die in solchen Chatdialogen lauernden Gefahren am Rande erahnen.

[Rz 10] Dass reale Treffen aufgrund von Chatdialogen in bedeutend höherer Anzahl als angenommen vorkommen, und dass insbesondere Chaträume für Kinder und Jugendliche von Erwachsenen mit eindeutigen sexuellen Neigungen zwecks anschliessender persönlicher Kontaktaufnahme aufgesucht werden, sind hinlänglich bekannte Tatsachen. Das sogenannte „Grooming” von Erwachsenen mit pädophilen Neigungen in Kinderchats kann leider tagtäglich beobachtet werden und wird in der Fachliteratur ausführlich beschrieben.

[Rz 11] Durch die zurzeit herrschende Rechtsprechung werden diese Sexchats mit Kindern und Jugendlichen auf eine unverantwortliche Weise verharmlost und Kinder schutzlos massiven verbalen sexuellen Belästigungen sowie potentiellen Missbrauchssituationen ausgesetzt. Deutsche (3) und internationale (4) Studien belegen, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen eine hohe Bereitschaft zu realen Treffen besteht und es doch nicht in unbedeutender Anzahl von Fällen zu sexuellen Handlungen kommt.

[Rz 12] Vergessen geht dabei auch, dass die meisten Kinder solche verbalen Äusserungen von konkreten sexuellen Handlungen (ganz abgesehen von der äusserst vulgären Umgangssprache!) als belästigend und zum Teil auch beängstigend erleben. Zudem werden nicht selten nach Austausch von E-Mail-Adressen oder Handynummern die Kinder mit eindeutig (kinder-)pornografischem Bildmaterial und aufdringlichen SMS-Texten weiter belästigt.(5) Nicht zu vergessen ist auch, dass der pädophile Chatter von forensisch-psychiatrischen Fachkreisen als bedeutend „gefährlicher” eingestuft wird. Es wird angenommen, dass bei diesen der Schritt zum realen Kindsmissbrauch wahrscheinlicher ist als beim reinen „Bildlisammler”. Dies da er bereits seine inneren Hemmungen abgebaut hat, bereit ist mit Kindern direkt in Kontakt zu treten und somit dem Schritt zu einem tatsächlichen Treffen innerlich näher kommt.

[Rz 13] Setzte man den ergangenen Entscheid in Analogie im realen Leben um, würde das bedeuten, dass es als zulässig und absolut nicht stossend angesehen würden, wenn ein Erwachsener in einer spezifischen Kindersendung plötzlich äusserst vulgäre Ausdrücke gebrauchen und die Kinder zu sexuellen Handlungen gegen Geld einladen würde. Eine solche Handlungsweise würde zu Recht als nicht duldbar angesehen.

[Rz 14] Die durch die nun herrschende Rechtsprechung erklärte Straffreiheit von eindeutig sexualisierten Chatdialogen und der Anbahnung von sexuellen Kontakten mit Kindern in Chats erscheint unter diesen Überlegungen als realitätsfremd, gefährlich und kann dem gesetzlich verankerten Jugendschutzgedanken nicht gerecht werden.

[Rz 15] Unter welchen Umständen der in Artikel 187 StGB verankerte Straftatbestand des „Einbezugs” des Kindes in sexuellen Handlungen tatsächlich als erfolgt bewertet werden kann, ist unter dem Gesichtspunkt der neuen Medien und deren expansiven Nutzung durch Jugendliche und Kinder neu zu bewerten. Ob ein Sexdialog am Telefon tatsächlich schwerer wiegt (Tatbestandsmässigkeit von Art. 187 StGB bejaht in unv. Urteil des OGer ZH vom 3. Februar 1999 i.S. Staatsanwaltschaft ZH vs. J.P., aufgeführt im Basler Kommentar von Niggli/Wiprächtiger, S. 982) imVergleich zu einem gleichartigen Sexdialog in einem Chat, in welchem zudem E-Mail-Adressen, Wohnort und Telefonnummern ausgetauscht werden und eine hohe Bereitschaft zu einem realen Treffen besteht, ist im Sinne eines lückenlosen und effizienten Jugendschutzes sicherlich einen Gedankengang wert.

Erschienen in: Jusletter 6. Juni 2005.

(1) Siehe Urteil SK-Nr. 2005/16/LIB S. 13.

(2) Anmerkung: Das Obergericht begründete die doch sehr tiefe Strafe von CHF 1’000.– damit, dass die Anzahl der sichergestellten Dateien im Vergleich relativ gering sei und es „sich zum Teil” nur „um Comics” handelte. Gänzlich unberücksichtigt blieb dabei das absichtliche Speichern des strafrechtlich relevanten Materials auf weitere CD-ROM’s.

(3) Vgl. hierzu die Broschüre „Chatten ohne Risiko”, Jugendschutz in Medien, www.jugend schutz.net, 1. Auflage 2005.

(4) Vgl. hierzu die eindrückliche Studie der University of Hampshire, Beitrag in Journal of Adolescent Health 2004: „Internet-initated Sex Crimes against Minors: Implications for Prevention Based on Findings from a National Study” von Janis Wolak, J.D., David Finkelhor, Ph.D., and Kimberly Mitchell, Ph.D.

(5) Vgl. auch hierzu die unter FN 4 erwähnte Studie.






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