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Défense des enfants international
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Gedanken zum Bericht „… und dann ist der Tag vorbei! – Freie Zeit, Freiraum und Bewegung für Kinder und Jugendliche» (Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ), Juni 2005)
  
[ Bulletin DEI, Dezember 2005 Band 11 Nr 4 S. 8 ]

Louisette Hurni-Caille

Im Bericht der EKKJ wird mit Recht auf Probleme wie Bewegungsmangel oder Verplanung der freien Zeit hingewiesen. Widersprüchlich zum letzteren scheint mir die Begrüssung der Förderung von sportbegabten Jugendlichen, da dies nicht ohne grosse zeitliche Beanspruchung möglich ist. Die Entstehungsgeschichte dieser Probleme und die Rolle des öffentlichen Strassenverkehrs am Tod oder an der Invalidität von Kindern, am Verdrängen der Kinder aus ihren angestammten Bewegungsräumen hin zu Fernsehen, Computerspielen oder belastenden Freizeitaktivitäten werden nicht erwähnt. Mir fehlt eine klare Stellungnahme zu Massnahmen, die ergriffen werden müssten, um die Ursachen dieser Probleme anzugehen. Dies veranlasste mich, mich auf meine eigenen Erfahrungen als Kind, Mutter und Grossmutter zu besinnen. Ein paar Erlebnisse mögen die grossen Veränderungen seit der Zwischenkriegszeit veranschaulichen. Ich erinnere mich noch deutlich an meine riesige Angst, die ich als Vorschulkind vor den berittenen Pferden hatte, die täglich ausgeführt wurden und die Mitte der grossen Quartierstrassen von Bern einnahmen. Als Mutter erlebte ich das Aufkommen des Autoverkehrs. Im Erdgeschoss des Hauses, in dem wir wohnten, war die Post eingemietet mit einer Rampe für die Postautos. Direkt vor dem Eingang befanden sich Parkplätze, ideal für Postkunden, um rasant vorzufahren, in die Post hinein zu hetzen und wieder hinaus. Ein geschützter Ort befand sich hinter dem Haus: ein asphaltierter Hof - der Fortschritt zum Aufhängen der Wäsche, aber doch eher ungemütlich, vor allem wenn man bedenkt, dass in den umliegenden Gärten kaum je ein Kind zum Spielen auftauchte. Wie sollte ich unsere kleinen Töchter davon überzeugen, dass dies der bessere Ort zum Spielen sei als vor dem Haus, wo das Leben pulsierte und sich auch Kinder aufhielten? Kinder, welche die schulfreie Zeit dort verbrachten, wenn ihre ganztags arbeitenden Eltern nicht zu Hause waren. Wegen meiner Angst vor Unfällen versuchte ich sie mehr oder weniger erfolgreich davon zu überzeugen, zu uns in die Wohnung spielen zu kommen. Dann kam die Zeit, da die ältere unserer Töchter zur Schule ging, die jüngere aber noch nicht und sich allein langweilte. So begann die Suche nach Angeboten, welche in den 50ger Jahren eher dünn gesät waren. Was ich fand war einerseits das Herstellen und Spielen lernen von Bambusflöten und andererseits Rhythmikunterricht. Die Zeit des Bringens und Abholens der Kinder hatte begonnen, mit dem Auto damals noch ein Privileg! Auch zur Schule mussten die Kinder anfänglich noch begleitet werden, da eine breite Brücke zu überqueren war, was für die Kinder allein zu gefährlich war, trotzdem der Verkehr damals unvergleichlich weniger dicht war als heute. Mit der Zeit erschienen die Signalanlagen, aber auch die Kinder waren grösser geworden, und man konnte sie allein gehen lassen.

So hielt die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Kinder Einzug und damit die Suche privilegierter Eltern nach Beschäftigungsmöglichkeiten, die oft nur ausserhalb des Quartiers zu finden waren, als Ersatz für die Spiel und Bewegungsfreiheit in der näheren Umgebung. Für Kinder, deren Eltern ganztags auswärts bei der Arbeit waren, gab es den so genannten Hort, wo sie nach der Schule bis 18 Uhr bleiben und Hausaufgaben machen konnten und eventuell im Pausenhof spielen durften. Auch für sie waren Freiheit und Freiraum relative Begriffe.

Um 1975, inzwischen Grossmutter geworden, ging ich manchmal mit meiner kleinen Enkelin im Quartier einkaufen. Sie war ein lebhaftes Kind, das mit den Gefahren, die nun von sehr viel mehr Autos kamen, leichtfertig umging. Dieser Umstand steigerte die Angst ihres Vaters, sie könnte Opfer eines Autounfalls werden, verständlicherweise sehr. Er warnte sie so eindringlich vor den Gefahren der Autos, dass ich sie von stund an sogar an den parkierten vorbeitragen musste.

Ebenfalls in den 70ger Jahren begann ich mich mit dem Thema der Kindesmisshandlung zu befassen. Eine kleine Frauengruppe kam zustande, wir lasen Fachliteratur, tauschten unsere Erfahrungen aus und diskutierten ausführlich Wege, wie Kindesmisshandlungen vermieden werden könnten. Die Meinung herrschte vor, dass Menschen in schlechten materiellen Verhältnissen ihre Kinder weniger gut ertragen und leichter die Nerven verlieren würden. Welche Faktoren aber erschwerten die Aufgabe der Eltern zusätzlich? Wir stiessen auf die Arbeiten von Marco Hüttenmoser, dessen Beitrag an der Tagung 2004 in Biel zur Frage der Verplanung der Freizeit der Kinder notabene im Bericht der EKKJ nur wegen seiner Aussagen erwähnt wird, dass Kinder, die die Wahl zwischen Fernsehen und Spielen im Freien haben, das zweite wählen. Uns vom zukünftigen Schweizerischen Kinderschutzbund (heute Kinderschutz Schweiz) beeindruckte sein Einsatz in der Aufklärung über die Gefahren des Autoverkehrs für die Kinder. Er beklagte das Verschwinden der Spielmöglichkeiten in einer verkehrten Welt, wo der Strassenrand den parkierten und die Strassenmitte den fahrenden Autos gehörten, wo Kinder als Verkehrshindernis betrachtet würden und Eltern dafür zu sorgen hätten, dass ihre Kinder den Strassenverkehr nicht störten, andernfalls sie beschuldigt würden. (Bekanntlich hat es Jahrzehnte gedauert, bis ein Umdenken sich soweit durchgesetzt hat, dass zumindest, wenn auch erst seit kurzem, auf dem Fussgängerstreifen wirklich auch die Fussgänger König sind.) Wo immer möglich wurden Garagen gebaut, am auffälligsten in Gegenden mit Einfamilienhäusern, wo zu diesem Zweck sogar Teile der Gärten geopfert wurden.

Eine weitere Ursache für das Verschwinden spielender Kinder draussen fand man auch im Aufkommen von Hochhaussiedlungen. Lag die Wohnung höher als im vierten Stock, war die Sicht- und Hörverbindung nicht mehr gewährleistet, welche nötig ist, damit Mütter ihre Kinder allein nach draussen gehen lassen können, auch wenn keine Gefahr von Seiten des Strassenverkehrs besteht. Waren die Kinder zudem noch zu klein, um zu den Liftknöpfen zu gelangen, war ihnen der freie Ausgang ebenfalls verwehrt. Marco Hüttenmoser machte darauf aufmerksam, dass solche Gegebenheiten die Mütter zwingen würden, pausenlos auf ihre Kinder aufzupassen. Entweder waren diese Mütter ständig in Anspannung oder sie behielten die Kinder zum Spielen meistens in der oft kleinen Wohnung, eine Einengung, die sich wiederum negativ auf die Zufriedenheit der Kinder auswirkte, Umstände also, welche Gewalt gegen Kinder provozierten.

Damit waren wir wieder beim Thema der Prävention von Kindesmisshandlung. Damals wurde der Ausdruck der Kinderfeindlichkeit geprägt, wenn erwartet wurde, dass sich Kinder überall anpassten und sich allem unterordneten, auch dem motorisierten Verkehr, gleich welche Auswirkungen es auf sie hatte. Der Ausschluss der Kinder, erklärte Marco Hüttenmoser, nahm ein solches Ausmass an, dass man Kinder nur noch in Begleitung auf der Strasse sah, ohne Begleitung nur, wenn sie schon ziemlich gross waren und zur Schule gingen. Die Zahl der Kinderunfälle nahm rein deswegen ab. Von den Eltern, die eine Verlangsamung des Verkehrs in den Quartieren verlangten, wurde behauptet, sie seien generell gegen das Auto und würden sich nur solange für dieses Thema engagieren, bis ihre Kinder gross genug und nicht mehr auf Begleitung angewiesen seien.

Hüttenmoser ist jedoch glücklicherweise bei seinem Thema geblieben. Die Auswirkungen der Dominanz des motorisierten Verkehrs beschreibt er wie folgt: „Der gewaltige Verdrängungsprozess verhindert gewiss massenweise Unfälle. Gleichzeitig produziert er ebenso massenweise Defizite, übergewichtige und fettleibige Kinder, Kinder mit sozialen Defiziten. Er verbaut vielen Kindern die Chance, gesund aufzuwachsen, sich in seiner näheren und weiteren Umgebung einzuleben und eine eigenständige Persönlichkeit zu entfalten. (Aus: „Die Poren der Gesellschaft sind verstopft - Forderungen an eine Kinder- und Familienfreundliche Raum- und Verkehrspolitik”. Vortrag von Marco Hüttenmoser, Dokumentationsstelle Kind und Umwelt, Muri AG)” Diese Erscheinungen werden nun den Eltern angelastet. Diejenigen, die den ganzen Tag arbeiten müssen, sind froh, dass ihre Kinder sich nicht den Gefahren des motorisierten Verkehrs aussetzen, sondern still vor dem Fernsehen sitzen und keinen Lärm machen, der die Nachbarn ärgert. Eltern, bei denen ein Elternteil zu Hause ist, und diejenigen, die es sich finanziell leisten können, suchen für ihre Kinder auswärts Beschäftigungsmöglichkeiten, welche ihnen zu Bewegung oder andern Formen von Anregung verhelfen, wodurch die Zeit vor dem Fernsehen und für Computerspiele reduziert wird. Dies alles sind jedoch Notlösungen, und es ist verkehrt und absurd, den Eltern vorzuwerfen, sie gönnten den Kindern keine ruhige Minute mehr und es ginge ihnen nur um das schulische und soziale Fortkommen ihrer Kinder. Nebenbei bemerkt: auch nicht erwähnt wird im Bericht der EKKJ die Kinderarbeit (auf dem Bauernhof, im Familienbetrieb, Schrebergarten, als Ausläufer), die es auch in der Schweiz gibt. Das von Kindern und Jugendlichen verdiente Geld dient nicht immer zum Finanzieren von Extrawünschen, sondern ist in gewissen Fällen aus Geldnot nötig.

Hüttenmoser stellt in seinem Vortrag (s. oben) folgende Forderung auf: „Tempo 30-Zonen vermitteln eine grössere Sicherheit auf zielgerichteten Wegen. Sie erlauben dem Kind aber noch nicht das Spiel und die Begegnung im Strassenraum. Im Januar 2002 hat der Bundesrat die neue Verordnung für Begegnungszonen in Wohngebieten erlassen. Sie gibt Fussgängern und spielenden Kindern den absoluten Vortritt vor dem Motorfahrzeugverkehr, der mit maximal 20 Kilometern verkehren darf. In diesem Sinne ist zu fordern, dass sämtliche Wohngebiete mit möglichst vielen Begegnungszonen durchsetzt werden müssen.” Die vorgeschlagenen Massnahmen könnten zum Teil Eltern den Eindruck vermitteln, dass sie als Familie willkommen sind, und sie wären sicher ein Beitrag zum Wohlergehen der Eltern, was sich auf ihr Verhältnis zu ihren Kindern positiv auswirken würde. Wir alle haben ein grosses Interesse daran, für das Aufwachsen der Kinder optimale Verhältnisse herzustellen. Das bedingt, dass wir ehrlich alle Faktoren berücksichtigen, die das Zusammenleben der Eltern mit ihren Kindern erschweren. Dazu gehört auch, die Rolle des motorisierten Verkehrs in Bezug auf die Gefährdung der körperlichen Integrität der Kinder, aber auch in Bezug auf Bewegungsmangel, Übergewicht, motorische und soziale Entwicklungsdefizite in ihrem ganzen Ausmass anzuerkennen.

Literatur:

– „…und dann ist der Tag vorbei! Freie Zeit, Freiraum und Bewegung für Kinder und Jugendliche” Bericht, Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ. Tel. 031 322 92 26, mailto: ekkj-cfej@bsv.admin.ch, http://www.ekkj.ch






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