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Défense des enfants international
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Täter und Opfer am runden Tisch
  
[ Bulletin DEI, Juni 2006 Band 12 Nr 2 S. III-IV ]



Sylvie Berchtold-Remund

kon§ens Strafmediation Kanton Zürich - eine erste vielversprechende Bilanz
Lösungen jenseits des Gerichtssaals suchen: Dieses Ziel verfolgte das Projekt Strafmediation Kanton Zürich (2002-2004). Dessen Initiatorin und Geschäfts-führerin Sylvie Berchtold-Remund stellt eine Form der Vermittlung vor, die im Zuge der Offizialisierung in der Schweiz langsam den Kinderschuhen entwächst und sich professionalisiert.
Strafmediation ist ein Bindeglied zwischen den Strafverfolgungsbehörden einerseits sowie den Opfern und Täterinnen und Tätern leichterer bis mittelschwerer Delikte anderseits.
Diese aussergerichtliche Verfahrenserledigung gibt bereits heute deutliche Hinweise dafür, wie die Strafuntersuchungsbehörden entlastet werden können. Ferner bietet die aussergerichtliche Einigung der Strafjustiz durch die Methode der Mediation eine praktikable Ergänzung zum herkömmlichen Strafverfahren.
Vielschichtiger Konflikt
Das herkömmliche Strafrecht sieht eine Verurteilung des Täters aufgrund und nach Massgabe seines Verschuldens vor. Eine Bearbeitung der Ursachen, die zu einer strafbaren Handlung geführt haben, findet dabei in der Regel nicht statt, ebenso wenig die Auseinandersetzung mit den Beweggründen, die zur Tat geführt haben, und den Tatfolgen. Das Opfer wird allenfalls befragt, wobei die emotionale Seite wenig Beachtung findet. Dieses Modell ist eher statisch und berücksichtigt weniger die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften, wie es heute in vielen anderen Lebensbereichen gang und gäbe ist.
Demgegenüber versucht das Modell Strafmediation, die prozesshafte, systemische Gesamtsicht auch im gesellschaftlichen Umgang mit Straftaten - und zwar im öffentlichen Interesse sowie im öffentlichen Auftrag - anzuwenden.
Mediation: Teil der Strafverfolgung
Die Strafmediation ist also eine wichtige Ergänzung zum modernen Strafrecht. An-ders als bei den herkömmlichen Geld- und Freiheitsstrafen steht den Strafverfol-gungsbehörden erstmals ein Instrument zur Verfügung, das wirksam auf den Bezie-hungsgehalt von Delikten zwischen Opfern und Tätern und auf die dahinter liegen-den Konflikte reagieren kann.
Die Strafmediation ist jedoch kein bequemer Ausweg für die zum Teil auch jugendlichen Täterinnen und Täter und ebenso wenig eine alternative zur Strafverfolgung: sie ist ein Teil von ihr.
Das Strafmediationsverfahren
Beurteilt der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin, die Jugendanwältin oder der Ju-gendanwalt ein Strafverfahren als geeignet, werden die Parteien schriftlich angefragt, ob sie sich einer Mediation unterziehen möchten und ob die Strafuntersuchungsakten dem Fachbereich kon§ens Strafmediation zugestellt werden sollen. Die Mediatorin prüft die Mediationstauglichkeit: „Mediationstauglich“ bedeutet nach Auffassung des Fachbereichs beispielsweise:
® dass die TäterInnen erstmals gehandelt haben (ErsttäterInnen);
® dass es sich beim Delikt um ein Antragsdelikt handelt (bei den Erwachsenen); bei jugendlichen sind alle Delikte (Antrags- wie Offizialdelikte) grundsätzlich mediationstauglich. Massgebend ist das Mass der Betroffenheit seitens geschädigter Partei;
® Dass die Täterin oder der Täter das Tatgeschehen anerkennt;
® dass die Täterin oder der Täter keine schweren Gewaltdelikte verübte, keine Suchtproblematik oder Psychopathologien aufweist.
Falls die Zustimmung der Parteien (die Jugendlichen und ihren Erziehungsberech-tigten) vorliegt, werden die Akten an den Fachbereich kon§ens Strafmediation über-wiesen. In dieser Zeit wird die Strafuntersuchung aufgeschoben; die Stelle kon§ens arbeitet auf das Ziel hin, binnen sechs Monaten zwischen den Konfliktparteien eine schriftliche Vereinbarung zu schliessen, mit welcher die gestellten Strafanträge bei Antragsdelikten zurückgezogen werden. Dies gilt ebenso für von Amtes wegen zu verfolgende Vergehen, bei welchen das seitens der geschädigten Person bekundete Desinteresse an der Strafverfolgung den Entscheid über Anklage oder Einstellung wesentlich beeinflussen beziehungsweise Einfluss auf das Strafmass haben kann.
Schriftlicher Vertrag
Das Ergebnis des geglückten Ausgleichs geht in Form einer schriftlichen, von allen Parteien unterzeichneten Vereinbarung zusammen mit den Strafakten an die Strafuntersuchungsbehörden zurück. Nebst dem Rückzug des Strafantrags durch die geschädigte Partei kann die Vereinbarung Abmachungen über materielle und ideelle Wiedergutmachungen, Schadenersatz oder andere Formen gemeinsamer Übereinkünfte und Lösungen enthalten. Ist die Durchführung einer Mediation aussichtslos oder kommt keine Vereinbarung zu Stande, gehen die Akten unverzüglich mit einem kurzen Bericht an die zuweisende Behörde zurück, und die Untersuchung wird weitergeführt.
Geschädigte im Mittelpunkt
Der Ausgleich bedeutet für die Parteien die Wiederherstellung des Rechtsfriedens sowie des sozialen Friedens; idealerweise führt er zur Aussöhnung. Die bisherige Erfahrung im Kanton Zürich mit dem Rechtsinstitut von kon§ens Strafmediation hat gezeigt, dass das Mediationsverfahren bei der überwiegenden Mehrzahl der Ge-schädigten eine hohe Anerkennung erfährt. Diese erklärt sich aus den Vorteilen, die sich im Vergleich zum herkömmlichen Strafverfahren ergeben: In den Gesprächen geht es nicht in erster Linie um Feststellung von Schuld oder Unschuld und damit um Beweissicherung, indem die geschädigte Partei befragt wird. Vielmehr steht die Rolle des Opfers als unmittelbar betroffene Person einer in aller Regel verletzenden, unangenehmen, allenfalls peinlichen Situation im Mittelpunkt. Zusätzlich dienen Gespräche dem Verarbeitungsprozess des Opfers.
Systemische Grundlage
Die Methode der Gesprächsmediation hat eine systemische Grundlage; der lösungsorientierte Ansatz betont Autonomie und Kompetenz der beteiligten Parteien. Während des ganzen Verfahrens ist der Prozess seitens Mediatoren ergebnisoffen. Das Wissen muss demzufolge nicht von aussen aufgezwungen werden; es genügt, dieses Wissen behutsam und geschickt zu mobilisieren. Eine Grundprämisse, von der in der Mediationsarbeit ausgegangen wird, besteht darin, dass Menschen alle Ressourcen in sich tragen, die sie brauchen, um die Veränderung zu vollziehen, die sie anstreben. Die Aufgabe der Mediationsfachperson besteht darin, sie dabei zu unterstützen und zu ermutigen, diese Ressourcen wahrzunehmen, zu erschliessen und zu nutzen. Insbesondere bei den Jugendlichen steht die Förderung der Einsichtsfähigkeit und der Gedanke des Lernprozesses und damit der Spezialprävention im Vordergrund.

Auch zum Verarbeitungsprozess gehört die Möglichkeit, dass die Geschädigten ihre materiellen Ansprüche rasch und unbürokratisch in einem realistischen Rahmen erfüllt bekommen sowie immaterielle Wiedergutmachungen nach ihren Wünschen erhalten. Diese handfesten und ganz konkreten Vorteile werden von einer Mehrzahl der Geschädigten als Stärkung ihrer Person erlebt und weit über Rache oder Sanktionsbedürfnisse gestellt.
Aktive Wiedergutmachung
Die angeschuldigten Jugendlichen können den Schaden aus eigener Kraft und mit eigenen Möglichkeiten wieder gutmachen und dem Opfer zeigen, dass sie für das, was vorgefallen ist, geradestehen wollen. Sie müssen jedoch dazu bereit sein, sich mit der Tat, deren Folgen und der geschädigten Person oder Personen auseinander zu setzen und Verantwortung zu übernehmen. Dies kann bei den Angeschuldigten einen Lerneffekt ermöglichen und begünstigt erwiesenermassen deren Legalprognose.
Am Schluss jedes Ausgleichs steht die Verbindlichkeit der von den Parteien erzielten Lösung. Eine gewisse Ritualisierung, wie zum Beispiel die schriftliche Form der Vereinbarung, hat nicht nur die Funktion der Rechtsverbindlichkeit, sondern setzt auch ein deutliches Signal, dass der Konflikt bearbeitet und auch bereinigt wurde.
Vermeidung von Sanktionen
Beim Kinder- und Jugendstrafrecht erfolgt der Abschluss des Verfahrens durch eine Einstellungsverfügung (Rückzug des Strafantrags oder Opportunitätsprinzip) oder durch eine Erziehungsverfügung (Absehen von Strafen und Massnahmen oder Strafmassreduktion). Damit berücksichtigt das skizzierte Verfahren in besonders starkem Masse den pädagogischen Auftrag eines das dem Erziehungsgedanken verpflichteten Sonderstrafrechts.
Durch eine geglückte Strafmediation entfallen Gerichtsverfahren und weitergehende Strafuntersuchungshandlungen. Die Strafverfolgungsbehörden werden entlastet, da sie die Untersuchung ohne den sonst üblichen Aufwand, wie
® eingehende Einvernahme des Angeschuldigten sowie
® Befragungen der geschädigten Person und allfälliger Zeugen,
® und mit entsprechender Kosteneinsparung erledigen können.
Durch Einsichtsarbeit mit den Angeschuldigten vermindert sich deren Rückfallrisiko. Deshalb wird insbesondere präventiv eine kurz- bis mittelfristige Entlastung der Strafjustiz erzielt - auch in finanzieller Hinsicht.
Mediation in der Strafjustiz kann in vielen Strafrechtsfällen bei jugendlichen (und er-wachsenen) Delinquenten die traditionelle Justiz auf nützliche Art ergänzen und er-hebt nicht den Anspruch, sie ersetzen zu wollen. Durch Verringerung der Rückfall-quote ist das Verfahren jedoch effizient, effektiv und kostensparend und reiht sich in die allseits erkannte Notwendigkeit ein, soziale Antworten auf die Kriminalität vielseitiger zu gestalten.
Im Zuge der Offizialisierung der Mediation in der Strafjustiz wurde mit dem Projekt Strafmediation Zürich die notwendigen Erkenntnisse über den sinnvollen und für die Strafjustiz sowie das Gemeinwesen wertvollen Einsatz der Strafmediation sowie dessen Grenzen gewonnen (2002-2004).
Die Wurzeln des Projekts Strafmediation Zürich gehen auf das Jahr 1997/1998 zu-rück. Im damaligen Sozialdienst der Justizdirektion und des heutigen Bewährungs- und Vollzugsdienstes (BVD), wurde durch die damalige Abteilungsleiterin und heutige Geschäftsführerin von kon§ens vorerst in Co-Leitung und sodann Hauptverantwortlichung das Teilprojekt Täter-Opfer-Ausgleich konzipiert, geplant und verfeinert. Nach Erweiterung des Projektteams durch zwei weitere Fachpersonen und der Vereinsgründung Straf-Mediation Zürich (VSMZ) im September 2001, wurde das Teilprojekt in ein zweijähriges Pilotprojekt des Kantons Zürich überführt. Der Regierungsrat sprach dem Verein am 11. September 2002 einen Starthilfebeitrag aus dem Fonds für gemeinnützige Zwecke für den Betrieb der Fachstelle für Straf-Mediation. Und schliesslich ermöglichten auch die beiden grossen Landeskirchen durch Überweisung eines Beitrages den Start der Fachstelle kon§ens Straf-Mediation Zürich per 1. Oktober 2002.
Die Mediation in der Kriminaljustitz ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, das Strafverfahren aufgrund der erfolgreichen Aussöhnung von Opfern und Tätern bei leichteren und mittelschweren Delikten einzustellen. Sie ist bereits in 23 europäischen Staaten in der Gesetzgebung verankert und wird erfolgreich angewandt. Das schweizerische Jugendstrafrecht sieht die Strafmediation schon ab nächstem Jahr vor, das allgemeine Strafrecht ein paar Jahre später.

Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation durch das Kriminologische Institut Zürich
(Prof. Dr. Chr. Schwarzenegger, lic.iur. LLM Veio Zanolini)
Zusammenfassung Schlussbericht vom 5. Dezember 2005
1. Hohe Erfolgsquote bei 131 Erledigungen (Ende 2005: Das Mediationsverfahren war sehr erfolgreich: Über 90% der Fälle kamen zu einer Vereinbarung und zur Aussöh-nung und somit zur Einstellung des Strafverfahrens (Jugendliche 93%, Erwachsene 90%)
2. Die Dauer des Mediationsverfahrens ist dem Verfahren bei der Staatsanwaltschaft vergleichbar und dauerte im Schnitt 105,5 Tage (im Vergleich: 107 Tage beim for-mellen Strafverfahren).
3. Bei den Fällen ging es nicht um Bagatellen, sondern um gravierende Lebenserfahrungen.
4. Staatsanwältinnen und -anwälte halten die Mediation im Strafrecht allgemein für möglich und sinnvoll. Jugendanwältinnen und -Anwälte begrüssen das neue Rechtsinstitut.
5. Beschuldigte und Geschädigte sowie Eltern und Lehrpersonen haben auf die Mög-lichkeit der Durchführung einer Strafmediation sehr positiv reagiert.
6. Kundenzufriedenheit. Nach Abschluss beurteilten 79% der Beschuldigten und 81% Geschädigten die Mediation für sie als eine sehr gute Lösung. Die Beteiligten erach-ten die Mediation mehrheitlich als gute bis sehr gute Erfahrung sowie als sinnvoll und nützlich (Fälle: Erwachsene und Jugendliche).


Die Autorin
Sylvie Berchtold-Remund ist Erziehungswissenschafterin mit Schwerpunkt Straf-recht/Strafprozessrecht und Mediatorin SDM-FSM. Sie hat das Projekt kon§ens initi-iert und arbeitet heute als dessen Geschäftsführerin und Strafmediatorin beim Be-währungs- und Vollzugsdienst.
Anschrift
kon§ens Strafmediation Kanton Zürich, lic.phil. Sylvie Berchtold-Remund, Feldstras-se 42, 8090 Zürich.
Mail: sylvie.berchtold@ji.zh.ch







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