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Défense des enfants international
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Entwicklung der Jugendstrafurteile wegen Gewaltdelikten

Von Vanessa Robatti Mancini*

  
[ Bulletin DEI, juin 2007 Vol 13 No 2 p.III ]


1. Einleitung


Politik und Medien lassen sich immer wieder zu alarmierenden Äusserungen über die Jugendkriminalität, ganz besonders über die Gewaltbereitschaft Minderjähriger, hinreissen. Sie stützen sich dabei auf eine kleine Anzahl schwerwiegender Fälle. Viele Behauptungen werden ohne vorherige Prüfung auf ihre „statistische Wahrheit“ veröffentlicht. Zur Untersuchung der Entwicklung der Jugendkriminalität sind statistische Daten nötig, die über die Jahre hinweg nach identischen Regeln erhoben werden. Eine solche Datensammlung gibt es für Jugendstrafurteile seit 1999. Damit wird jedoch nicht die Entwicklung der von Jugendlichen begangenen Gewaltdelikte an sich, sondern die Entwicklung der Jugendstrafurteile (sie betreffen 7- bis 17-jährige Straftäter/innen) wegen Gewaltdelikten erfasst.

2. Definition von Gewalt


Was ist unter Gewalt zu verstehen? Wenn Journalisten oder Politiker von Gewalt reden, präzisieren sie nie, was sie genau darunter verstehen. Eine Legaldefinition von Gewalt existiert in der Tat nicht.
Die Sektion Kriminalität und Strafrecht des Bundesamtes für Statistik (BFS) hat sich für eine weit gefasste Definition von Gewalt entschieden(1) Idealerweise sollten nur Straftaten mit physischer Gewalt berücksichtigt werden. Da sich in den Kriminalstatistiken für eine Vielzahl von Gesetzesartikeln nicht unterscheiden lässt, ob es sich um Gewalt oder um Androhung ernstlicher Nachteile handelt, wurde beschlossen, beide Tatbestände mit einzubeziehen.

3. Jugendstrafurteilsstatistik (1999-2005)

3.1Demografische Daten und Strafurteile


Wenn wir von Jugendkriminalität sprechen, sollten wir daran denken, dass nur ein kleiner Prozentsatz Jugendlicher Straftaten begeht. 2005 lebten in der Schweiz 943'713 Kinder und Jugendliche zwischen 7-17 Jahren(2) Gegen sie sind 13'075 Urteile ergangen(3) davon 2'194 wegen Gewaltdelikten(4)(5)

3.2 Anteil der Strafurteile wegen Gewaltdelikten an der Gesamtzahl der Strafurteile


Von 1999 bis 2005 ist die Anzahl Jugendstrafurteile von 12'300 auf 14'100 gestiegen. Eine Mehrzahl dieser Urteile erging wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (hauptsächlich Konsum) und wegen Diebstahl. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl Strafurteile wegen Gewaltdelikten von 1'200 (10% der Urteile) auf 2'300 (16% der Urteile) gewachsen.







3.3 Gewaltdelikte


Von Jugendlichen verübte Gewaltstraftaten haben also tatsächlich zugenommen. In den genannten Zahlen sind allerdings lediglich Straftaten berücksichtigt, die nur auf Antrag verfolgt werden (Tätlichkeiten, einfache Körperverletzung, Drohung). 1999 waren 69% der Gewaltstraftaten Antragsdelikte, 2005% betrug ihr Anteil 76%. Es stellt sich deshalb die begründete Frage, ob sich dieser Anstieg ausschliesslich mit einer höheren Gewaltbereitschaft erklären lässt, oder ob er auch auf eine steigende Anzeigebereitschaft zurückzuführen ist.

3.4 Sanktionen


Eine Untersuchung der Einschliessungen(6) gibt zudem Aufschluss darüber, ob der Schweregrad der geahndeten Delikte von 1999 bis 2005 zugenommen hat. Im Falle einer starken Steigerung müsste auch die Anzahl der „Freiheitsstrafen“ stark angestiegen sein.
Absolut haben diese Sanktionen zwar zugenommen (von 227 auf 459), ihr Anteil an allen wegen Gewaltdelikten verhängten Sanktionen ist jedoch von 22% auf 20% gesunken.
2005 wurde bei 87 der insgesamt 2’268 ergangenen Urteile eine Einweisung in ein Erziehungsheim angeordnet, bei 63 wurde eine unbedingte Freiheitsstrafe (davon 18 über 30 Tage), bei 309 eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt.
Laut einigen Richterinnen und Richtern lassen die Sanktionen jedoch nicht eindeutig auf die Schwere der Widerhandlungen schliessen, weil man aufgrund der mangelnden Heim- und Haftplätze gezwungen ist, die Delikte mit anderen Strafen als Einweisungen in Erziehungsheime oder Freiheitsentzug zu ahnden. Aber können gefährliche Jugendliche, die eine schwere Straftat begangen haben, wirklich in Freiheit gelassen werden?

3.5 Tendenzen


In den Medien wird immer wieder behauptet, die jugendlichen Gewalttäter würden immer jünger, und der Anteil Mädchen beziehungsweise der Ausländerinnen und Ausländer nehme ständig zu. Können die statistischen Daten diese Behauptungen wirklich bestätigen?

3.5.1 Immer jünger?


Von 1999 bis 2005 ist der Anteil der Strafurteile gegen Kinder(7)von 28 auf 22% gesunken.
Die verurteilten Jugendlichen werden also nicht immer jünger. Das mediane(8)Gesamtalter(9)ist stabil geblieben, das der Kinder(10) und der Jugendlichen(11) hat sich jeweils um ein Jahr erhöht.

3.5.2 Immer mehr Mädchen?


Der Anteil Strafurteile gegenüber weiblichen Jugendlichen ist von 1999 bis 2005 von 8 auf 13% gestiegen.
Diese Zunahme betrifft hauptsächlich Delikte gegen Leib und Leben, im Speziellen solche, die nur auf Antrag verfolgt werden. Der Anteil der Antragsdelikte ist von 67% auf 72% gestiegen. Auch hier stellt sich die Frage, ob sich nur das Verhalten der Mädchen geändert hat, oder ob auch eine höhere Anzeigebereitschaft der Opfer bei Widerhandlungen von Mädchen besteht.







3.5.3 Immer mehr Ausländerinnen und Ausländer?


Von 1999 bis 2005 ist der Anteil der ausländischen Jugendlichen mit Wohnsitz in der Schweiz von 57% auf 51% gesunken.
Ausländer (mit Wohnsitz in der Schweiz) wurden 2005 viermal häufiger wegen Gewaltdelikten verurteilt als Schweizer (578 Urteile auf 100'000 Ausländer gegenüber 140 Urteile auf 100'000 Schweizer). Die Entwicklung von 1999 bis 2005 zeigt jedoch, dass die Anzahl Strafurteile mit Gewaltdelikten bei den Schweizern (+119%) stärker zugenommen hat als bei den Ausländern (+60%).







3.6 Prozessdauer


Es herrscht allgemein Konsens darüber, dass die Sanktion so schnell wie möglich nach dem Delikt erfolgen muss, damit sie vom Jugendlichen auch als Strafe für den von ihm begangenen Verstoss verstanden wird.
Die unten dargestellte Prozessdauer wird anhand des Zeitraums zwischen der Straftat – im Fall von mehreren Delikten der letzten – und dem Urteilsdatum errechnet. Da das Datum der Dossiereröffnung nicht erfasst wird, vermittelt diese Dauer einen Eindruck der von den Gerichten zur Erledigung der Fälle benötigten Zeit.
Fast drei Fünftel der Fälle werden innerhalb von 6 Monaten oder weniger erledigt. 2005 verging in 15% der Fälle bis zur Urteilsfällung mehr als ein Jahr. Die mittlere Prozessdauer betrug 2005 durchschnittlich 224 Tage, die mediane Dauer(12) 159 Tage, wobei Strafurteile mit Gewaltdelikt mehr Zeit in Anspruch nahmen als solche ohne Gewaltdelikt. (durchschnittliche Dauer: 11 Tage / mediane Dauer: 93 Tage). Ein Grund für die längere Prozessdauer ist die Tatsache, dass die Richter aufgrund der Problematik der Fälle verschiedene Massnahmen oder Heime zur vorläufigen Unterbringung „ausprobieren“, bevor sie ein Urteil fällen.
Von 1999 bis 2005 ist die mittlere Dauer der Strafurteile um 36 Tage, die mediane Dauer um 13 Tage gestiegen.


4.Schlussfolgerung


Die Jugendstrafurteile wegen eines oder mehrere Gewaltdelikte haben in den letzten sieben Jahren zwar zugenommen, eine genauere Betrachtung der Fälle nach Art der Sanktion zeigt jedoch, dass es sich bei den in der Presse aufgegriffenen Ereignissen um Einzelfälle handelt.
Die Anzahl solcher Strafurteile entspricht nicht unbedingt der Anzahl aufgedeckter Fälle. Ein Fall kann in der Tat mehrere Urteile nach sich ziehen, wenn der Gewalttäter bzw. die Gewalttäterin selbst Opfer von strafbaren Repressalien ist, zum Beispiel dann, wenn das jugendliche Opfer von Tätlichkeiten dem Täter droht. Während die Drohungen vor einigen Jahren noch hauptsächlich mündlich ausgesprochen wurden, wird heute per SMS gedroht, so dass das Opfer über einen Beweis verfügt.


* Vanessa Robatti Mancini

schloss ein Lizenziat der Rechte mit Diplom in Kriminologie an der Universität Lausanne ab. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Sektion Kriminalität und Strafrecht des Bundesamtes für Statistik und ist dort für die Jugendstrafurteilsstatistik zuständig.



* Auskunft

Bundesamt für Statistik – Sektion Kriminalität und Strafrecht – Espace de l’Europe 10 – CH-2010 Neuchâtel
+41 32 713 62 40 – www.statistique.admin.ch - crime@bfs.admin.ch


1. Sie umfasst die folgenden Straftatbestände nach Schweizerischem Strafgesetzbuch (StGB): vorsätzliche Tötung (Art. 111 StGB), Mord (Art. 112 StGB), Totschlag (Art. 113 StGB), Kindestötung (Art. 116 StGB), schwere Körperverletzung (Art. 122 StGB), einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB), Tätlichkeiten (Art. 126 StGB), Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB), Raufhandel (Art. 133 StGB), Angriff (Art. 134 StGB), Raub (Art. 140 StGB), Erpressung (Art. 156 StGB), Drohung (Art. 180 StGB), Nötigung (Art. 181 StGB), Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 StGB), erschwerende Umstände (Art. 184 StGB), Geiselnahme (Art. 185 StGB), sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB), Vergewaltigung (Art. 190 StGB), Brandstiftung, wenn der Täter wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt (Art. 221 Abs. 2 StGB), Landfriedensbruch (Art. 260 StGB) und Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB).
2. 744'981 SchweizerInnen und 198'732 AusländerInnen.
3. 8'851 gegen SchweizerInnen und 4'224 gegen AusländerInnen.
4. 1'046 gegen SchweizerInnen und 1'148 gegen AusländerInnen.
5. Zusätzlich ergingen 1'031 Urteile gegen nicht in der Schweiz wohnhafte Jugendliche ausländischer Nationalität (Asylsuchende und ausländische Jugendliche mit Wohnsitz im Ausland), darunter 74 wegen Gewaltdelikten.
6. Erziehungsheim, unbedingte Freiheitsstrafe und bedingte Freiheitsstrafe
7. Kinder: 7- bis 14-Jährige zum Zeitpunkt des Urteils. Jugendliche: 15- bis 17-Jährige zum Zeitpunkt des Urteils.
8. Der Median ist der Wert, der die Gesamtzahl der Fälle bzw. Werte in zwei gleich grosse Hälften teilt. Die eine Hälfte der Werte liegt darunter, die andere darüber.
9. 1999 bis 2005 beträgt es 16 Jahre.
10. 13 Jahre für 1999-2004, 14 Jahre im Jahr 2005.
11. 16 Jahre für 1999-2002 und 17 Jahre für 2003-2005.
12. s. Fussnote 7.










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