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Défense des enfants international
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Integrationsprobleme junger Erwachsener
Von Jürg Krummenacher (1)

  
[ Bulletin DEI, septembre 2010 Vol 16 No 3 p.III ]


Junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren sind in zunehmendem Mass auf Sozialhilfe angewiesen. Eine Studie(2) im Auftrag von sechs Organisationen, darunter die SKOS, untersuchte im letzten Jahr die Ursachen der Integrationsprobleme von jungen Erwachsenen und die Schwierigkeiten in der Umsetzung von Massnahmen. Gleichzeitig identifizierte die Studie, wo Handlungsbedarf besteht.



Die berufliche und soziale Integration von jungen Erwachsenen bereitet schon seit einigen Jahren grosse Sorgen. Junge Erwachsene sind überdurchschnittlich oft auf Sozialhilfe angewiesen. Auch die Arbeitslosenquote bei den 20- bis 24-Jährigen liegt regelmässig deutlich über der Gesamtquote. Die Arbeitslosenquote bei den 18- bis 25-Jährigen ist starken Schwankungen unterworfen. Bei schwacher Konjunktur steigt ihre Quote schneller an als bei den anderen Altersgruppen. In Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs flacht sie jedoch nach einer gewissen Verzögerung auch wieder schneller und stärker ab.
Eine der wichtigsten Ursachen für die Integrationsprobleme junger Erwachsener liegt darin, dass für viele der Übergang ins Berufsleben, insbesondere in Zeiten einer schlechten allgemeinen Arbeitsmarktsituation, mit hohen Risiken verbunden ist. Mehr als 70 Prozent der 18- bis 25-jährigen Sozialhilfebezüger verfügen über keine Berufsausbildung. Das weist darauf hin, dass ein Ausbildungsdefizit mit einem stark erhöhten Sozialhilferisiko verbunden ist.

Interviews mit Fachleuten aus 12 Kantonen


Die zuständigen Stellen auf Bundes-, Kantons- und Gemeinedeebene haben die Probleme erkannt und darauf mit verschiedenen und vielfältigen Massnahmen reagiert. Genügen diese Massnahmen? Wo besteht zusätzlicher Handlungsbedarf? Und worin bestehen die Probleme junger Erwachsener aus der Sicht von Fachleuten?
Auf diese Fragen versucht eine Studie Auskunft zu geben, die im Sommer 2009 im Auftrag von sechs Organisationen - Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, Bundesamt für Migration, Staatssekretariat für Wirtschaft(SECO), Konferenz der Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und Städteinitiative Sozialpolitik - durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser Studie haben wir 31 Interviews mit Fachleuten aus Arbeits- und Sozialämtern, Berufsbildung, Forschung, Erwerbslosen- und Integrationsprojekten sowie Vertreter/innen aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverband geführt. Die Interviewpartner/innen stammten aus 12 Kantonen aus der deutschen und französischen Schweiz. Gleichzeitig haben wir die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse vorhandener Statistiken und Studien ausgewertet und in einer Bestandesaufnahme zusammengefasst.

Ausbildungsdefizite als wichtigste Ursache


Die Studie bestätigt, dass die Hauptursache für die Integrationsprobleme junger Erwachsener in der fehlenden Berufsausbildung liegt. Junge Erwachsene ohne Berufsabschluss haben ein deutlich höheres Risiko, arbeitslos zu werden und deshalb später auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. In immer mehr Berufen wird heute eine berufliche Grundausbildung oder eine Mittelschule vorausgesetzt.
Von Integrationsproblemen besonders betroffen sind Jugendliche und junge Erwachsene, deren Eltern aus der Türkei, Portugal und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien stammen. Sie sind im Berufsbildungsprozess deutlich untervertreten und steigen deutlich früher als andere Jugendliche, aber auch schlechter qualifiziert in den Arbeitsprozess ein. Sie sind auch in schlechter qualifizierenden Ausbildungen, beispielsweise in Anlehren, und in Brückenangeboten übervertreten.
Das hängt vor allem damit zusammen, dass Ausländerkinder überdurchschnittlich häufig Schulen mit geringen Anforderungen wie Sonder- und Realschulen besuchen. Der besuchte Schultypus der obligatorischen Schule spielt aber für den Zugang zu nachobligatorischen Bildungsgängen eine wichtige Rolle. Entscheidend für den Schulerfolg ist die familiäre Situation. Ausländische Kinder leben häufiger in Haushalten, in denen die Eltern nach der obligatorischen Schulzeit keine weiterführende Ausbildung absolviert haben. Von Bedeutung ist aber auch, dass die Bildungschancen in der Schweiz sehr ungleich verteilt sind und ausländische Jugendliche auch beim Übergang von der Schule in die Berufsbildung benachteiligt werden.

Armut als Ergebnis von sozialen Abstiegsprozessen


Wie Matthias Drilling in seiner Studie zu den „Young Urban Poor“ gezeigt hat (3), ist die Armut von jungen Erwachsenen das Ergebnis von sozialen Abstiegsprozessen. Die Entwicklungsaufgabe, mit der sich Jugendliche und junge Erwachsene konfrontiert sehen, besteht darin, gleichzeitig eine ökonomische Unabhängigkeit zu erlangen, eine starke Persönlichkeit zu entwickeln und sich von der Herkunftsfamilie emotional zu lösen. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe werden die jungen Erwachsenen mit Integrationsproblemen von ihren Familien weniger unterstützt als andere. Denn viele junge Erwachsene waren bereits vor dem Eintritt in die Sozialhilfe von Armut betroffen, die teilweise bis in die Kindheit zurückreicht. Das gilt ganz besonders für die jungen Erwachsenen aus den Einwanderungsländern der 90er Jahre wie die Türkei oder das ehemalige Jugoslawien. Um ihre Mangellage zu bewältigen, würden die jungen Erwachsenen, so Drilling, schon sehr früh eigene Strategien entwickeln. Dazu gehört vor allem die Annahme jeder möglichen Beschäftigung oder auch der Umzug in die Stadt.
Werden die jungen Erwachsenen von der Sozialhilfe unterstützt, so trägt diese oft kaum zu einer nachhaltigen Verbesserung der Handlungsfähigkeit der jungen Erwachsenen bei. Zwar könne die finanzielle und beratende Unterstützung zu einer Ablösung aus der Sozialhilfe führen. Diese sei aber sehr häufig mit einem Eintritt in neue Prozesse der Prekarität verbunden. Aus den „Young Urban Poor“ würden so oft „Young Working Poor“. Drilling fordert deshalb ein Umdenken in der Gesellschaft. Diese suche die Ursachen der Probleme von jungen Erwachsenen meistens in individuellem Versagen, statt sich mit den gesellschaftlichen Bedingungen zu befassen.

Wichtigste Forderung: Nachholbildung ermöglichen


Nach Ansicht der interviewten Fachpersonen fehlt es nicht an Massnahmen, um die Integrationsprobleme anzugehen. Im Gegenteil: Die meisten Fachpersonen sind der Meinung, dass es eher zu viele als zu wenige Massnahmen gibt. Es herrsche ein „grosser Aktivismus“. Was jedoch fehle, seien eine klare Strategie, Transparenz, Übersicht, interinstitutionelle Koordination und Wirkungsanalyse. Den grössten Handlungsbedarf sehen die interviewten Fachpersonen in der Förderung der nachträglichen beruflichen Ausbildung. Das Hauptproblem hier sei die Finanzierung und die Tatsache, dass sich für diese Frage kein Bundesamt und keine Institution richtig zuständig fühle. Mehrere Fachpersonen sehen das Modell „FORJAD“ im Kanton Waadt als zukunftsträchtiges Modell für die ganze Schweiz. Der Kanton Waadt verpflichtet junge Erwachsene auf der Basis einer Standortbestimmung zu einer Integrationsmassnahme. Erklärtes Ziel ist es, dass möglichst alle jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss eine Berufsausbildung mit anerkanntem Abschluss nachholen können.
Wie schon erwähnt, haben Personen ohne nachobligatorische Ausbildung nicht nur die schlechtesten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie tragen auch erheblich grössere Risiken, haben ein markant tieferes Einkommen als der Durchschnitt und verursachen erhebliche gesellschaftliche Kosten. Darauf hat kürzlich auch eine Studie des Büro BASS hingewiesen (Fritschi/ Oesch 2009).
Die Studie des Büro BASS zeigt, dass Personen ohne Berufsausbildung im Durchschnitt rund 1400 Franken pro Monat weniger verdienen (S. 11) als Personen mit einem Sek II – Abschluss. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausbildungslose Personen einmal eine IV-Rente oder eine Rente infolge eines Unfalls oder einer Krankheit beziehen oder auf Sozialhilfe bzw. auf andere Bedarfsleistungen angewiesen sein werden, ist rund 2 mal grösser als bei Personen mit Berufsabschluss.
In der Studie des Büro BASS wurden auch die Kosten berechnet, welche die Ausbildungslosigkeit der Gesellschaft in Form von höheren Sozialausgaben und geringeren Sozialversicherungsbeiträgen und Steuereinnahmen entstehen. Sie belaufen sich auf rund 8000 bis 11'200 Franken pro Person und Jahr (S. 26). Es versteht sich von selbst, dass sich diese jährlichen Kosten im Lebensverlauf zu einem weit höheren Betrag summieren.
Die Studie des Büro BASS wurde von der Gewerkschaft Travail.Suisse in Auftrag gegeben. Gestützt auf die Ergebnisse der Studie forderte Travail.Suisse ein Umdenken in Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe. Deren vordringliches Ziel sei es immer mehr, Arbeitslose und Sozialhilfebezüger/innen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bei Personen ohne Ausbildung sei dies jedoch der falsche Ansatz. Rasche Integration bedeute nämlich für diese Personen die Übernahme von unqualifizierter Arbeit zu einem schlechten Lohn und mit schlechten Arbeitsbedingungen. Oder, wie es Martin Flügel, Präsident von Travail.Suisse, formuliert hat: „Eine rasche Integration führt also unweigerlich in ein prekäres Arbeitsverhältnis und damit verbunden ist eine hohe Rückfallquote zurück in die Arbeitslosenversicherung oder in die Sozialhilfe“.

Verbesserung der interinstitutionellen Zusammenarbeit


Ebenfalls grossen Handlungsbedarf sehen die Fachpersonen bei der Verbesserung der interinstitutionellen Koordination und Zusammenarbeit auf allen Ebenen: Zwischen den Bundesämtern, zwischen den Bundesämtern und Kantonen sowie in den meisten Kantonen. Die Gesetze seien zu wenig aufeinander abgestimmt. Die Bundesämter würden sich untereinander und mit den Kantonen zu wenig absprechen.
Weiter plädierten viele Fachpersonen dafür, dass die Anlehren als niederschwellige Angebote beibehalten und eidgenössisch geregelt werden sollten, weil viele Jugendliche den Anforderungen der Attestlehren nicht genügten. Schliesslich sollten die Vorgaben für die Motivationssemester vereinheitlicht und die Vorgaben für das Case Management überdacht werden. Die Begleitung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei als Beziehungsarbeit zu gestalten und es müsse auch mehr in die Begleitung der Familien und der Betriebe investiert werden.


(1) Jürg Krummenacher ist seit Oktober 2009 Leiter des Interdisziplinären Schwerpunkts „Gesellschaftliche Sicherheit und Sozialversicherungen“ sowie Dozent und Projektleiter am Kompetenzzentrum „Public and Nonprofit – Management“ der Hochschule Luzern, Wirtschaft.
(2)Die Studie kann auf der Website der SODK abgerufen werden: www.sodk.ch
(3) Matthias Drilling: Young urban poor. Abstiegsprozesse in den Zentren der Sozialstaaten. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2004. 339 Seiten.








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