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Défense des enfants international
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Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Jugendstrafverfahren
(Dr.iur. Christoph Hug, ehem. Leitender Jugendanwalt in Zürich)
  
[ Bulletin DEI, septembre 2011 Vol 17 No 3 p.III-IV ]




1. Die relevanten gesetzlichen Bestimmungen

Besondere Bestimmungen für Untersuchungshaft (UH) und Sicherheitshaft (SH) im Jugendstrafverfahren finden sich namentlich in den Art. 24 Abs. 1 lit. c, Art. 26 Abs. 1 lit. b und Abs. 3, Art. 27 und Art. 28 Jugendstrafprozessordnung (JStPO).

Von Bedeutung sind auch Art. 3 JStPO (Anwendbarkeit der StPO) und Art. 4 JStPO (Grundsätze). Gemäss Art. 3 Abs. 1 JStPO sind die Bestimmungen der StPO dann anwendbar, wenn die JStPO keine besondere Regelung enthält. Art. 4 JStPO erwähnt die wichtigsten wegleitenden Grundsätze, die im Jugendstrafverfahren gelten (z.B. Schutz und Erziehung der betroffenen Jugendlichen, angemessene Berücksichtigung von Alter und Entwicklungsstand etc.).

Schliesslich sei auch noch auf Bestimmungen über die gerichtlichen Befugnisse des Zwangsmassnahmengerichts hingewiesen, vor allem auf Art. 7 Abs. 1 lit. a JStPO in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 JStPO und Art. 18 StPO.

2. Anordnung oder Genehmigung von UH und SH sowie weitere Verfahrensbestimmungen

Im Jugendstrafverfahren ist für die Anordnung der UH nicht das Zwangsmassnahmengericht, wie im Erwachsenenstrafverfahren (Art. 224 StPO), sondern der Jugendanwalt (im Jugendanwaltsmodell) bzw. der Jugendrichter (im Jugendrichtermodell) zuständig (Art. 26 Abs. 1 lit. b JStPO), für die Anordnung der SH hingegen, gleich wie im Erwachsenenstrafverfahren, die gerichtliche Behörde, bei der ein Straffall hängig ist (Art. 26 Abs. 3 JStPO in Verbindung mit Art. 229 StPO).

Art. 27 JStPO enthält die vom Erwachsenenstrafverfahren abweichenden Bestimmungen in Bezug auf Anordnung, Dauer und Überprüfung von UH und SH im Jugendstrafverfahren.

So dürfen gemäss Art. 27 Abs. 1 JStPO UH und SH nur als ultima ratio angeordnet werden. Der Gesetzgeber verlangt, dass bei Jugendlichen (wie übrigens auch bei Erwachsenen gemäss Art. 237 Abs. 1 StPO) zuerst alle möglichen Ersatzmassnahmen geprüft werden müssen, bevor ein Freiheitsentzug dieser einschneidenden Art angeordnet werden darf.

Die Voraussetzungen für die Anordnung von UH (während des Untersuchungsverfahrens) oder SH (nach Anklageerhebung) werden in der JStPO nicht gesondert geregelt. Es gelten die in Art. 221 StPO aufgeführten Haftvoraussetzungen:
- Nebst dringendem Tatverdacht der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens ist ernsthaft 
 zu befürchten,
a. dass sich die beschuldigte Person durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu 
 erwartenden Sanktion entzieht; oder
b. dass die beschuldigte Person andere Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, 
 um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen; oder
c. dass die beschuldigte Person durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit 
 anderer gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat. 
- Haft ist aber auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass eine Person ihre Drohung, 
 ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen werde.

Was die Haftdauer betrifft, so darf die Untersuchungsbehörde nur eine UH von maximal sieben Tagen anordnen (Art. 27 Abs. 2 JStPO). Die SH dagegen, die vom zuständigen Gericht angeordnet wird, ist in ihrer Dauer unbegrenzt. Über eine Verlängerung der UH entscheidet das Zwangsmassnahmengericht. Das Verfahren richtet sich nach Art. 225 und 226 StPO. Die UH für Jugendliche kann mehrmals verlängert werden, aber jeweils nur um höchstens einen Monat (Art. 27 Abs. 3 JStPO).

Die UH dient ausschliesslich der Aufklärung der Straftat und darf daher nicht länger dauern als durch die Haftgründe und die Schwere der Straftat bedingt. Reine pädagogische Überlegungen berechtigen nicht zu einer Missachtung dieses Prinzips. Aus dem wegleitenden Art. 4 Abs. 1 JStPO geht sinngemäss hervor, dass sich die Untersuchungsbehörde für eine möglichst kurze Dauer der UH einsetzen muss. Bei Bemessung deren Dauer ist das Alter des Straftäters mit zu berücksichtigen. Je jünger der Jugendliche ist, umso zurückhaltender ist mit dessen Freiheitsentziehung umzugehen und um so mehr ist dem Unterbringungsort und der Betreuung besondere Achtung zu schenken.

Der inhaftierten Person, falls sie urteilsfähig ist, und ihrer gesetzlichen Vertretung steht das Recht zu, jederzeit – schriftlich oder mündlich - ein Gesuch um Entlassung aus der UH bzw. SH zu stellen (Art. 27 Abs. 4 JStPO). Das Gesuch ist bei der Behörde, welche die Haft angeordnet hat, einzureichen. Wird dem Gesuch entsprochen, ist die beschuldigte Person unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Im andern Fall hat das Zwangsmassnahmengericht darüber zu befinden. Für das Haftprüfungs- bzw. Haftentlassungsverfahren gelangt Art. 228 StPO zur Anwendung.

Den Entscheid über die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs oder die Bewilligung der Haftverlängerung kann bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art. 27 Abs. 5 JStPO in Verbindung mit Art. 222 StPO).

Bei UH oder SH von mehr als 24 Stunden muss der beschuldigte Jugendliche gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. c JStPO zwingend verteidigt werden. Dass im Jugendstrafverfahren eine Verteidigung bereits nach einer 24 Stunden überschreitenden Haft – und nicht, wie im Verfahren gegen Erwachsene, erst nach einer Haft von mehr als 10 Tagen – zwingend vorgesehen ist, hat mit dem erhöhten Schutzbedürfnis von Jugendlichen zu tun und ist ein Anwendungsfall von Art. 4 JStPO. Bei Berechnung der Haftfrist ist im Jugendstrafverfahren, anders als im Erwachsenenrecht, die Dauer der vorläufigen Festnahme nicht mit zu berücksichtigen, welche gemäss Art. 224 Abs. 2 StPO längstens 48 Stunden dauern kann. Dies ergibt sich aus dem unterschiedlichen Gesetzestext von Art. 24 Abs. 1 lit. c JStPO bzw. Art. 130 lit. a StPO.

3. Vollzug von UH und SH

Art. 28 JStPO sieht für Jugendliche während der UH oder SH bestimmte Schutzvorschriften vor. Sie ergeben sich sowohl aus den wegleitenden Grundsätzen von Art. 4 Abs. 1 JStPO wie auch z.T. aus internationalen Übereinkommen.

Im Vordergrund steht die Trennungsregelung. Art. 28 Abs. 1 erster Satz JStPO verlangt, dass UH oder SH bei Jugendlichen wahlweise entweder in einer für sie reservierten Einrichtung oder in einer besonderen Abteilung der Haftanstalt, aber getrennt von den erwachsenen Inhaftierten, vollzogen wird.
In der Deutschschweiz stehen zur Zeit für den Vollzug der Haft von Jugendlichen die folgenden Einrichtungen zur Verfügung: Aufnahmeheim Basel und Durchgangsstation Winterthur (für männliche Jugendliche), die Geschlossenen Wohngruppen des Jugendheims Platanenhof in Oberuzwil SG sowie der Viktoria-Stiftung in Richigen BE (für männliche und weibliche Jugendliche) und das Foyer in den Ziegelhöfen in Basel (für weibliche Jugendliche). Besondere Jugendabteilungen in Gefängnissen gibt es erst im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH (für männliche Jugendliche), im Gefängnis Dielsdorf ZH (für weibliche Jugendliche) und im Untersuchungsgefängnis Waaghof BS (für männliche und weibliche Jugendliche).

Sodann ist gemäss Art. 28 Abs. 1 zweiter Satz JStPO für inhaftierte Jugendliche eine angemessene Betreuung sicherzustellen. In besonderen Einrichtungen wie Durchgangs- oder Aufnahmeheimen ist eine professionelle Betreuung gewährleistet, die nebst Einzel- und Gruppengesprächen auch schulische Ausbildung und handwerkliche Tätigkeiten sowie Freizeitaktivitäten beinhaltet. Schulunterricht und handwerkliche Betätigung sind z.B. wesentliche Elemente des betreuten Alltages in der Jugendabteilung des Gefängnisses Limmattal. Die gesetzliche Formulierung „angemessene Betreuung“ lässt den zuständigen Personen (Untersuchungsbehörden, Personal der Institutionen) alle Möglichkeiten offen, die unter Beachtung von Art. 4 JStPO als sinnvoll erscheinen, um inhaftierte Jugendliche männlichen oder weiblichen Geschlechts nicht nur vor den negativen Einflüssen der Haft bzw. Ausgrenzung zu schützen, sondern auch positiv zu beeinflussen. Von erheblicher Bedeutung ist, dass der Kontakt zu aussenstehenden Bezugspersonen (Familie, Freunden, Lehrern etc.) aufrechterhalten bleibt.

Ferner ist in Art. 28 Abs. 2 JStPO vorgesehen, dass Jugendliche auf ihr Gesuch hin in der Haft auch einer Beschäftigung nachgehen können. Die nachteiligen Auswirkungen der Haftsituation in Bezug auf Isolation und Untätigkeit sollen also nicht nur durch Betreuung, sondern auch durch eine Tagesstruktur mit Beschäftigung gemindert werden. Dieser Rechtsanspruch auf eine Beschäftigung erfährt allerdings zwei Einschränkungen. Einerseits darf durch eine Beschäftigung das Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren nicht beeinträchtigt werden; die Haftdauer ist - unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes - oftmals recht kurz bemessen und Jugendliche müssen den Strafverfolgungsbehörden jederzeit zur Verfügung stehen können. Andererseits kann eine Beschäftigung nur dann ermöglicht werden, wenn die Verhältnisse der Einrichtung dies überhaupt zulassen. Kein Problem ist dies bei privaten Institutionen, bei denen die Beschäftigung Jugendlicher ein wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts darstellt. Wenn Jugendliche aber, namentlich bei Massenverhaftungen nach bandenmässig verübten Straftaten, in Haftanstalten eingewiesen werden, kann ihnen – vor allem aus organisatorischen und strukturellen Gründen - in erster Zeit oft keine Beschäftigungsmöglichkeit gewährt werden.

Da schon seit vielen Jahren UH und SH nicht nur in staatlichen, sondern auch in spezialisierten privaten Einrichtungen vollzogen werden, ist in Art. 28 Abs. 3 JStPO endlich die hierfür erforderliche formelle Gesetzesgrundlage geschaffen worden. Dies war aus rechtsstaatlichen Gründen dringend nötig, stellt doch die Inhaftierung einen schweren Eingriff in elementare Grundrechtspositionen dar. Eine gesetzliche Grundlage, welche Private zu diesem Eingriff ermächtigte, war vorher weder im StGB noch im JStG enthalten.











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